Das “L“, das “L“ und das “L“

Heute ist Tag 33. Ein Drittel der kritischen Zeit habe ich um. Dennoch kommt es mir schon vor, als hätte ich den halben Weg hinter mir. Immerhin liegt ja auch eine ganze Zeit der Vorbereitung und Behandlung schon hinter mir.

Das wichtigste für heute aber ist: Ich werde Entlassen!!!

Es geht nach Hause. Nach 6 Wochen Isolationshaft geht es nun wieder in die Freiheit. Ich freue mich unendlich!

Der Weg ist noch weit, die kritische Phase nicht vorbei. Trotzdem finde ich es an der Zeit, die zurückliegende Zeit einmal zu betrachten:

“L“ - wie Leid
Seit meiner Erkrankung habe ich das “L“ wie Leid getragen. Ich habe die Schmerzen ausgehalten, Ängste durchgestanden und trage tapfer die Risiken und Schäden, die Krankheit und Behandlung an meinem Körper hinterlassen haben. Es ist anstrengend und man fühlt sich wie ein körperliches Wrack. Jedes noch so kleine Stückchen Selbstständigkeit muss hart wieder erkämpft werden. Das Leid dieser Krankheit ertragen. Das ist meine Aufgabe.

Eine Leukämie zu überleben ist hart und alleine schwer zu schaffen. Eine Leukämie zu überleben ist eine Gemeinschaftsaufgabe zusammen mit den Angehörigen,  denn man ist eine lange Zeit auf Hilfe angewiesen.

“L“ - wie Last
Wer vom “bedauernswerten Leukämiekranken“ spricht, der vergisst völlig unter welch einer Belastung die Angehörigen stehen. Natürlich schaut der Außenstehende zuerst auf den Erkrankten. Aber welch eine Last hat in den vergangenen Wochen und Monaten meine Familie getragen - speziell meine Frau! Sie trug das “L“ der Last. Sie ist den Kindern gerecht geworden, hat den Haushalt gemacht, die Renovierung der Wohnung voran getrieben, sich um die Planung meiner Rückkehr gekümmert, mich täglich mehrere Stunden besucht, wenn es mir sehr schlecht ging und vieles mehr. Es lässt sich gar nicht alles aufzählen.

Eigene Ängste wegstecken, ständig funktionieren, den Laden am laufen halten und vorausschauend planen. Das war das Leben meiner Frau in den letzten Monaten. Manches Mal machte ich mir richtig Sorgen, dass sie nicht auf der Strecke bleibt. Und was sagt sie dazu? “Jetzt ist nicht meine Zeit. Jetzt bist erst du dran“

Unmenschlich wiegt die Last auf den Schultern der nächsten Angehörigen und ich danke meiner Frau für die unmenschliche Leistung die sie für mich erbracht hat. Das bitte ich alle Menschen NIEMALS zu vergessen, die aus versehen nur den Erkrankten sehen.

Und es ist noch nicht vorbei. Ich bin jetzt zwar wieder zu Hause, aber nicht wirklich zu etwas in der Lage. In vielen Belangen brauche ich Hilfe. Wie sind immer noch mittendrin in der Mühle.

“L“ - Lebensfreude
Das gilt es jetzt für die ganze Familie Stückchen für Stückchen wieder zurück zu gewinnen. Mit jedem Tag wird es mir ein klein wenig besser gehen. Zu Anfang wird es sehr langsam gehen. Ich bin sehr auf mich konzentriert. Aber schon bald werde ich Kraft genug haben, auch “außerhalb meines Körpers“ wieder schöne Dinge wahrzunehmen. Ich und meine Familie werden und dies alles wieder erarbeiten! Ganz wie der Strassenkehrer Beppo in dem Film Momo. Niemals die ganze weite, unendliche Strasse betrachten. Bei jedem Schritt einen Atemzug und bei jedem Atemzug ein Besenstrich. Schritt - Atemzug - Besenstrich

Kommentare

Unknown hat gesagt…
Das ist sehr schön geschrieben. Es freut mich zu lesen, dass du wieder in deiner gewohnten Umgebung bist. :-)
Anonym hat gesagt…
Paule,

ich freue mich für Euch!

Alles Liebe, Britta

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